Stellungnahme zum Beschluss des AG Frankfurt am Main

AZ 32 C 1631/20 (89)

Sehr geehrte Damen und Herren,

mittlerweile ist die Covid 19 Pandemie nicht nur tägliches Thema in Presse, Rundfunk und Wirtschaft, sondern es gibt auch schon Rechtsprechung und Gerichtsurteile hierzu. Grund ist u.a., dass der Gesetzgeber in der letzten Märzwoche mit diversen gesetzgeberischen Maßnahmen reagiert hat und am 27.03.2020 u.a. das mit Wirkung zum 01.04.2020 in Kraft getretene „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“ verabschiedet hat.

Durch dieses Gesetz werden im zivilrechtlichen Teil in Artikel 240 des EGBGB zeitlich befristet besondere Regelungen eingeführt, die Schuldnern, die wegen der COVID-19-Pandemie ihre vertraglichen Pflichten nicht erfüllen können, im Ausgangspunkt die Möglichkeit einräumen, die Leistung einstweilen zu verweigern oder einzustellen, ohne dass hieran für sie nachteilige rechtliche Folgen geknüpft werden dürfen.

Im § 3 dieses Art. 240 EGBGB finden sich die besonders relevanten Regelungen zum Darlehensrecht.

Gem. Art 240 § 3 Abs. 1 EGBGB in der Fassung des Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid 19 Pandemie, hat ein Verbraucher bei Verbraucherdarlehensverträgen, die vor dem 15.03.2020 abgeschlossen wurden, im Zeitraum vom 01.04. bis 30.06.2020 einen Anspruch auf Stundung von in diesem Zeitraum fälligen Leistungen (Rückzahlung, -Zins- und Tilgungsleistungen). Dieser gesetzliche Anspruch besteht dann, wenn der Verbraucher aufgrund der durch Ausbreitung der COVID 19-Pandemie hervorgerufenen außergewöhnlichen Verhältnisse Einnahmeausfälle hat, die dazu führen, dass ihm die Erbringung der geschuldeten Leistung nicht zumutbar ist.

Im vorliegenden zu entscheidenden Fall hat das Amtsgericht Frankfurt am Main mit Beschluss vom 8. April 2020 einem Arbeitnehmer/Verbraucher mit einer einstweiligen Verfügung gegenüber dessen Bank eine verlängerte Frist zur Rückzahlung seiner Kontoüberziehung zugesprochen.

Die Bank hatte dem Bankkunden, der Arbeitnehmer ist, die Geschäftsbeziehung gekündigt und ihn zur Rückzahlung seiner Kontoüberziehung bis zum 8. April 2020 aufgefordert. Im Zuge der Coronavirus-Pandemie ist auch der Arbeitnehmer von Kurzarbeit betroffen und hat deshalb derzeit geringere Einnahmen. Nachdem die Bank seiner Bitte um Gewährung einer verlängerten Rückzahlungsfrist nicht nachgekommen ist, wandte er sich mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung an das Gericht.

Das Amtsgericht hat den Antrag des Bankkunden weitgehend stattgegeben und seine Entscheidung auf das vor kurzem in Kraft getretene Gesetz gestützt. Die vor Erlass der Entscheidung schriftlich angehörte Bank hat sich binnen einer ihr gesetzten Stellungnahmefrist nicht geäußert.

Der Beschluss des Amtsgericht Frankfurt am Main AZ 32 C 1631/20 (89) ist noch nicht rechtkräftig und kann auf der Homepage des Gerichts unter www.ag-frankfurt-justiz.hessen.de abgerufen werden.

Dass sich die im Zuge des einstweiligen Rechtsschutzes angehörte Bank innerhalb der gesetzten Frist nicht entsprechend verteidigt hat, ist aus verfahrensrechtlicher und materieller Sicht nicht nachvollziehbar.

Denn es wäre bei entsprechender Einlassung der Bank schon äußerst fraglich gewesen, ob bei der im vorliegenden Fall vorliegenden sogenannten „geduldeten Überziehung“ nach § 505 BGB, überhaupt der Anwendungsbereich des Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“ hier der oben zitierte § 3 des Art 240 EGBGB überhaupt eröffnet gewesen ist und ob das Gericht dann wirklich hier so entschieden hätte.

Aber nun kurz der Reihe nach:

Der formellen Voraussetzungen für den einstweiligen Rechtsschutz nach § 940 ZPO waren zweifelsfrei gegeben. Insbesondere war der Antrag zulässig und es lagen auch die Regelungsvoraussetzungen i. S. von § 940 ZPO vor.

Das Eilverfahren schien zur Abwendung wesentlicher Nachteile für den Bankkunden nötig, da diesem anderenfalls Vollstreckungsmaßnahmen durch die Bank, die deren vorgerichtliches Stundungsverlagen abgelehnt hat, drohen.

Vorliegend ist auch eine Vorwegnahme der Hauptsache ausnahmsweise zulässig. Die Fälligkeit der verfahrensgegenständlichen Forderung der Bank auf Darlehensrückzahlung stand unmittelbar bevor. Die in Betracht kommende Rechtsgrundlage (Art. 240 § 3 EGBGB) sieht eine Stundung zunächst lediglich für einen Zeitraum von 3 Monaten vor. In dieser Zeit war die Durchführung eines Hauptsacheverfahrens nicht zu erwarten, zumal aufgrund der Pandemie auch der Justizbetrieb Einschränkungen insbesondere hinsichtlich der Durchführung von Präsenzverhandlungen unterworfen ist. Die begehrte Stundung musste somit, soll sie nicht ihren Sinn verlieren, dringend erfolgen. Im Rahmen der Abwägung der Interessen beider Parteien (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 11.10.2017, Az. I ZB 96/16 = NJW 2018, 1317) überwiegen danach die Interessen des Antragstellers deutlich.

Der Antragsteller und Bankkunde hatte auch ein Rechtsschutzbedürfnis für die Anordnung der begehrten Stundung. Zwar tritt die Stundungswirkung nach Art. 240 § 3 Abs. 1 EGBGB kraft Gesetzes ein. Der Verbraucher hat jedoch die tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift nachzuweisen (vgl. Begründung RegE, BT-Drs. 19/18110, S. 38 f.). Hieraus folgt in Verbindung mit der vorgerichtlichen Zurückweisung des Begehrens des Antragstellers durch die Bank ein Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers auf gerichtliche Feststellung des Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen.

Insofern waren die formellen Voraussetzungen für den einstweiligen Rechtsschutz gegeben. Jedoch nicht die materiellen tatbestandlichen Voraussetzungen des Gesetzes selbst.

Die verfahrensgegenständlichen geduldeten Kontoüberziehungen nach § 505 BGB, stellen zwar unzweifelhaft auch Verbraucherdarlehensverträge dar, welche die Antragsgegnerin zum 08.04.2020, mithin innerhalb des in Art. 240 § 3 Abs. 1 S. 1 EGBGB genannten Zeitraums, zur Rückzahlung fällig gestellt hat.

Auch hat der Bankkunde durch Vorlage eines Bewilligungsbescheides über Elterngeld, von Unterlagen seines Arbeitgebers über die dortige Kurzarbeit, sowie von auszugweisen Kontoauszügen glaubhaft gemacht, dass er aufgrund der durch die Ausbreitung der COVID-19-Pandemie hervorgerufenen außergewöhnlichen Verhältnisse Einnahmeausfälle hat, die dazu führen, dass ihm die fristgerechte Erbringung der gegenüber der Antragsgegnerin geschuldeten Rückzahlung seiner Überziehungskredite nicht zumutbar ist, da ansonsten ein angemessener Lebensunterhalt des Antragstellers oder seiner Unterhaltsberechtigten gefährdet wäre.

Auch hat die Bank als Antragsgegnerin demgegenüber keine Umstände vorgetragen, wonach ihr die Stundung der verfahrensgegenständlichen Rückzahlungsforderung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls einschließlich der durch die COVID-19-Pandemie verursachten Veränderungen der allgemeinen Lebensumstände unzumutbar ist (Art. 240 § 3 Abs. 6 EGBGB).

Zu einer Aktivierung sonstiger Vermögensgegenstände war die Bankkundin nicht verpflichtet (vgl. Begründung RegE, a.a.O., S. 39, zu Abs. 2 der Vorschrift).

In der Sache wäre der Anspruch jedoch vollumfänglich abzulehnen gewesen; und nicht nur beschränkt auf den bis zum 15.03.2020 in Anspruch genommenen Überziehungskredit aufgrund des Gesetzeswortlaut.

Denn das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“ ist von ihrer Ratio legis hier, auf die geduldete Kontoüberziehungen nach § 505 BGB schon gar nicht anwendbar. Insoweit war die materielle Prüfung des erstinstanzlichen Gerichts hier nicht rechtsfehlerfrei erfolgt. Zwar muss im einstweiligen Rechtschutzverfahren die Begründetheit des Anspruchs im Hauptsacheverfahren nur mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gegebenen sein, doch selbst diese war hier nicht gegeben. Für die geduldete Kontoüberziehung nach 505 BGB ist ja schon gar die im Gesetz angesprochene Stundung von Zins- und Tilgungsleistungen vergleichbar einem Annuitätendarlehen oder Abzahlungsdarlehen entsprechend nicht gegeben. Dies ist auch der Grund warum der im BGB vorhandene § 505 BGB „geduldete Überziehung“ in seinen Abs. 4 die §§ 491 a bis 496 und 499 bis 502 BGB auf Verbraucherdarlehensverträge, die unter dem im § 505 Abs. 1 BGB genannten Voraussetzungen zustande gekommen sind, nicht anwendet.

Insoweit hat der Antragssteller und Bankkunde hier durch die Nichteinlassung der Bank, nicht nur die Kostenentscheidung des Verfahrens zu seinen Gunsten in gewisser Weise „glücklich“ erwirkt, sondern die Bank hat durch ihr nicht agieren auch nicht das ihrige zur richtigen juristischen Beurteilung des Sachverhaltes beigetragen. Zumindest auch nicht, das Gericht durch entscheidende schlüssige Argumentation zum Überdenken seiner Rechtsmeinung angehalten.

Es zeigt sich in diesem Fall wieder einmal mehr denn je, wie wichtig es ist die „richtigen Experten“ an seiner Seite zu haben.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Michael Langauer
Rechtsanwalt
Diplom-Betriebswirt (FH)
Schwerpunkt Wirtschafts- und Bankrecht