Ein Bauträger errichtet eine Wohnanlage. Es gilt die EnEV 2002. Von der Wohnungseigentümergemeinschaft wird der Bauträger in der Folge wegen Mängeln am Dach in Anspruch genommen auf Zahlung eines Kostenvorschusses zur Mängelbeseitigung. In den geforderten rund € 150.000,00 enthalten sind auch die Mehrkosten von ca. 20.000 Euro, die für die Ausbildung des Daches gemäß den zwischenzeitlich aktuellen Vorgaben der EnEV 2014 erforderlich sind. Der Nachunternehmer des Bauträgers, dem der Streit verkündet worden war, wendet sich gegen die Höhe der Forderung, da zum Zeitpunkt des Abschlusses der Bauverträge die EnEV 2014 noch nicht gegolten habe. Die Eigentümergemeinschaft würde etwas erhalten, was sie nie beauftragt habe, ihr Vorteile bringe und sie nicht bezahlen müsse.

Das OLG München lässt diesen Einwand nicht gelten.

Unstreitig blieb im Prozess, dass die Mängelbeseitigung nach den aktuellen Regeln der Technik unter Beachtung der Anforderungen der EnEV 2014 zu erfolgen habe. Einen Abzug der Mehrkosten, die sich durch die notwendige Ausführung der Sanierung nach den aktuellen Vorgaben der EnEV 2014 gegenüber denjenigen der EnEV 2002 ergeben, müsse sich die Gemeinschaft nicht gefallen lassen. Die Rechtsprechung des BGH hat wiederholt konstatiert, dass eine Anrechnung nicht in Betracht komme, wenn die Vorteile ausschließlich auf einer Verzögerung der Mängelbeseitigung beruhten. Der Auftraggeber habe sich jahrelang mit einem fehlerhaften Werk begnügen müssen. Der Unternehmer dürfe keine Besserstellung dadurch erfahren, dass der Vertragszweck nicht gleich, sondern erst später im Rahmen der Gewährleistung erreicht werde. Dass die Sanierung nunmehr unter Einhaltung der Anforderungen der EnEV 2014 erfolgen müsse, habe seinen Grund ausschließlich darin, dass der Bauträger seiner Verpflichtung, ein mangelfreies Werk herzustellen und die Mängel umgehend auf seine Kosten zu beseitigen, nicht nachgekommen sei. Eine so wertende Betrachtung lege die Verteuerung der Sanierung in die Risikosphäre des Bauträgers. Dieses Ergebnis erscheine auch nicht unbillig für den Fall, dass die Eigentümergemeinschaft durch die Einhaltung der Anforderungen der EnEV 2014 eine wirtschaftlich merkbare Ersparnis bei den Heizkosten erziele.

Im Ergebnis gilt also, dass es sich bei Mehrkosten aufgrund nach Abnahme gestiegener gesetzlicher oder technischer Anforderungen an das Werk NICHT um Sowiesokosten handelt. Ein dem Besteller verbleibender Mehrwert gegenüber der ursprünglich vertraglich vereinbarten Werkleistung kann nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung eine Zahlungspflicht des Bestellers begründen, nicht aber die verzögerte Mängelbeseitigung. Denn der Auftragnehmer darf dadurch, dass der Vertragszweck nicht sogleich, sondern erst später im Rahmen der Gewährleistung erreicht wird, keine Besserstellung erfahren.

(OLG München, Beschluss vom 01.09.2020 – 28 U 1686/20 Bau)

Dr. Thomas Gutwin

Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht