Ein Generalübernehmer (GÜ) bietet dem Auftraggeber (AG) die Planung und Errichtung eines Bauwerks an. Der GÜ erbringt in der Folgezeit Planungsleistungen für das Gebäude, das der AG sodann ohne Mitwirkung des GÜ errichten lässt. Letzterer rechnet unter Bezugnahme auf seine Angebotspositionen die erbrachten Planungsleistungen ab. Mit einer neuen Schlussrechnung macht er sodann auf der Basis der Mindestsätze der HOAI 2013 eine Aufstockungsvergütung  geltend.

Das Landgericht weist seine Klage ab, soweit sie auf die über das Angebot hinausgehende Vergütung gerichtet ist. Das OLG weist die Berufung durch einstimmigen Beschluss zurück. Unter Berufung auf frühere Rechtsprechung des 9. Senats am OLG München sei jedenfalls im vorliegenden Einzelfall das Aufstockungsverlangen des GÜ treuwidrig, weil es sich auf unionsrechtswidrige HOAI-Mindestsätze stütze. Das Vertragsverletzungsurteil des EuGH habe die Unwirksamkeit der Bindung an HOAI-Mindestsätze beanstandet. Der GÜ hätte den AG auf diesen Umstand hinweisen müssen wie auch auf die Absicht, bei Nichtzustandekommen des GÜ-Vertrags die dann allein beauftragten Architektenleistungen nach HOAI-Mindestsätzen abrechnen zu wollen. Der unterlassene Hinweis führe zu einer Treuwidrigkeit des GÜ, zumal bei richtiger Aufklärung der AG es in der Hand gehabt hätte, die HOAI-Mindestsätze durch Abschluss eines GÜ-Vertrags mit dem GÜ oder einem Dritten zu vermeiden.

Die Entscheidung führt in der Literatur zu Kritik.  Beanstandet wird u.a., dass eine verbindliche Klärung dahingehend unterblieben sei, ob tatsächlich Planungsleistungen gemeinsam mit Bauleistungen beauftragt waren. In diesem Fall wäre nach Auffassung der kritischen Stimmen die HOAI 2013 auf den sog. Paketanbieter überhaupt nicht anwendbar. Dies gelte auch, soweit der Vertrag nicht vollständig durchgeführt worden sei. Ferner habe sich das Berufungsgericht nicht mit dem Schriftformgebot für die Honorarabrede und der für den hier vorliegenden Fall des Formverstoßes gem. § 7 Abs 5 HOAI angeordneten Rechtsfolge der Geltung der Mindestsätze, so dass im Ergebnis  viele relevante Rechtsfragen ungeklärt blieben.

(OLG München vom 29.07.2021, 9 U 3342/20)

Dr. Thomas Gutwin
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht