Das Landgericht München II hat sich kürzlich mit einem Sachverhalt befasst, in dem es um die Frage ging, ob ein Bäckereibetrieb, der als Mieter gewerblicher Flächen pandemiebedingte Betriebsschließungen hinzunehmen hatte, einen Mietminderungsanspruch oder einen zumindest einen Vertragsanpassungsanspruch durchsetzen kann.
Streitgegenständlich war ein Mietvertrag über Gewerberäume zum Betrieb eines Backwarengeschäfts mit Backofen, verbunden mit einem Kaffeeausschank. Die im Erdgeschoss und Untergeschoss liegenden Mieträume befinden sich neben einem Hotel. Die Mietsache wird – ganz oder teilweise – durch den verklagten Mieter untervermietet.
Am 16.03.2020 hatte Bayern den landesweiten Katastrophenfall ausgerufen, um die Ausbreitung des damals neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 einzudämmen. Durch Allgemeinverfügung vom 16.03.2020 der Bayerischen Staatsministerien für Gesundheit und Pflege sowie für Familie, Arbeit und Soziales wurden Gastronomiebetriebe jeder Art sowie die Öffnung von Ladengeschäften des Einzelhandels jeder Art, mit Ausnahme u.a. des Lebensmittelhandels, untersagt. Das Backwarengeschäft blieb geöffnet, das ebenfalls in den Mieträumen betriebene Café musste geschlossen werden. Durch Schreiben vom 16.03.2020 teilte die Beklagte mit, wegen des pandemiebedingten Umsatzrückgangs werde sie die Miete April 2020 um 50% kürzen.
Ab dem 25.05.2020 war die Öffnung von Gastronomiebetrieben auch im Innenbereich unter Einhaltung gewisser Hygienevorschriften – wenn auch in reduziertem Umfang – wieder gestattet. In den Monaten April bis Juni 2020 zahlte Beklagte die Miete nicht vollständig. Zu entscheiden war über die Pflicht zur Zahlung der Mieten der Monate Mai und Juni 2020.
Das Landgericht München II verurteilte den Mieter zur Zahlung der vollen Miete. Eine Mietminderung durch die Beklagte scheide schon deshalb aus, weil der Betrieb eines Backwarengeschäfts, zu dem die Mietsache vereinbarungsgemäß überlassen worden sei, nicht von einer behördlichen Betriebsuntersagung betroffen gewesen sei. Zwar sei in den Mieträumen auch ein “Café” betrieben worden, das ändere jedoch nichts daran, dass die zwischen den Parteien mietvertraglich vereinbarte Nutzung eine andere sei. Dem Mietvertrag sei nicht zu entnehmen, dass die Mietsache zum Zwecke eines Gastronomiebetriebes überlassen worden sei. Auch die tatsächliche Nutzung belege derartiges nicht. Der im Mietvertrag genannte Vertragszweck, nämlich der Betrieb eines Backwarengeschäfts mit Kaffeeausschank sei während der streitgegenständlichen Zeit durchgehend nicht eingeschränkt gewesen, so dass ein Mietmangel schon aus diesem Grund ausscheide.
Das Landgericht versagte dem Mieter darüber hinaus auch einen Vertragsanpassungsanspruch gemäß § 313 BGB. Die Vermutung des Art. 240 § 7 EGBGB sei auf Fälle der mittelbaren Betroffenheit nicht anwendbar. Den Motiven für diese Regelung sei zu entnehmen , dass es “erforderlich sei, dass die staatliche Maßnahme die Verwendbarkeit des Grundstücks oder der Räume für den Betrieb des Mieters durch hoheitliches Handeln erheblich einschränke”. Daran fehle es beispielsweise, wenn bei einem Betrieb mit Publikumsverkehr die Kundschaft allein wegen sinkender Konsumbereitschaft ausbleibe. Die staatliche Maßnahme müsse die Verwendbarkeit des Betriebs des Mieters einschränken und sich dafür auf die Mietsache selbst oder den in der Mietsache ausgeübten Betrieb des Mieters beziehen. Unter Betrieb sei die tatsächliche Nutzung im Rahmen des vertraglich vereinbarten Zwecks zu verstehen. Vorliegend sei die Nutzung im Rahmen des vertraglich vereinbarten Zwecks nicht durch behördliche Maßnahmen untersagt oder eingeschränkt. In diesem Fall seien die Grundsätze des § 313 Abs. 1 BGB nicht anwendbar. Die Beklagte sei – zumindest im Hinblick auf die hier streitgenständliche Mietsache, auf die allein es vorliegend ankomme – von den Folgen der Pandemie nur mittelbar betroffen. Einschränkungen, die den Besuch eines Backwarengeschäfts durch die Bevölkerung regelten, hätten nicht bestanden, der Bevölkerung sei es stets erlaubt und möglich sich mit existentiellen Gütern wie Backwaren zu versorgen, teilweise sogar zu verlängerten Öffnungszeiten. Die von dem verklagten Mieter vorgetragenen Folgen der Pandemie begründeten vorliegend kein Recht auf Vertragsanpassung, als sie auf einem freiwilligen Entschluss der potentiellen Kunden beruhten. Dass die Beklagte nach ihrem Vortrag wegen der Lage ihrer Ladengeschäfte in Hochfrequenzlagen ihren Umsatz vor allem mit Laufkundschaft generierte, gehöre zum Unternehmer- bzw. Verwendungsrisiko, das der Unternehmer bzw. Mieter selbst zu tragen habe.
Über dies sei auch zu beachten, dass der Mieter nach eigenem Vortrag die Mietsache untervermietet habe, so dass in dem Umfang der Untervermietung die uneingeschränkte Nutzung der Mietsache gegeben sei. Ob Fälle, in denen ein Mieter den pandemiebedingten Ausfall der Untermiete an seinen Vermieter weitergeben wolle, von § 313 Abs. 1 BGB erfasst werden, erscheine sehr fraglich, da der Vermieter ja nur eingeschränkt Einfluss auf die Auswahl des Untermieters habe.
(LG München II, Urteil vom 28.01.2021 – 1 O 2773/20)
Dr. Thomas Gutwin
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht