Ein Vermieter gewerblicher Räume macht gegen den Mieter Ansprüche auf Zahlung ausstehender Miete geltend. Der Mietvertrag sieht die Nutzung der Vertragsflächen als Einzelhandelsgeschäft für den Verkauf und Lagerung von Textilien und Waren des täglichen Ge – und Verbrauchs vor. Während der Pandemie ordnete die zuständige Behörde den “Lockdown” an. Der Mieter musste nach entsprechender behördlicher Anordnung seine Filiale in der Zeit vom 18.03.2020 bis 20.04.2020 für den Publikumsverkehr schließen. Er bezahlte daraufhin die vereinbarte Miete im April nicht. Nach uneingeschränkter Wiederaufnahme des Betriebs ab dem 20.04.2020 erklärte der Mieter hilfsweise die Aufrechnung mit der anteiligen März-Miete. Der Mietvertrag sieht die Zahlung der Miete jeweils zum 6. eines Monats vor. Der Vermieter reichte wegen der ausgebliebenen Zahlungen Klage ein.

Das erkennende Gericht prüfte die Einwendungen des Mieters und stellte dazu fest, dass der Mietzahlungsanspruch des Vermieters weder wegen eines Mangels noch in Folge Unmöglichkeit der Leistungserbringung durch den Vermieter noch nach den Grundsätzen der gestörten Geschäftsgrundlage ganz oder teilweise zu mindern oder anzupassen sei. Bei der Frage, inwieweit die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie Einfluss auf die Mietzahlungsverpflichtung des Mieters bei einem Gewerbemietvertrag haben könnten, seien zunächst die Regelungen des jeweiligen Mietvertrages auf Anknüpfungstatsachen zu untersuchen, aus denen sich für einen solchen Fall Mietzahlungsausschlüsse oder – Beschränkungen ergeben könnten. Solche Anhaltspunkte seien vorliegend nicht ersichtlich.

Dem Klageanspruch entgegenstehende Einwendungen des Mieters – etwa ein Leistungsverweigerungsrecht – aus dem am 01.04.2020 in Kraft getretenen Art. 240 § 1 Abs. 1, Abs. 2 EGBGB n.F. seien nicht erkennbar, weil es sich beim Mieter weder um einen Verbraucher noch Kleinstunternehmer handle. Außerdem gelte das Leistungsverweigerungsrecht gemäß Art. 240 § 1 Abs. 4 Nr .1 EGBGB n.F ohnehin ausdrücklich nicht für Miet- und Pachtverträge. Vielmehr bleibe nach der amtlichen Begründung die Mietzahlungspflicht im Grundsatz ausdrücklich bestehen (COVFAG-E Begründung, BT-Drs. 19/18110 zu § 2 Abs. 1, S. 36).

Auch im Blick auf mietvertragliches Gewährleistungsrecht sei die Mietzahlungsverpflichtung nicht untergegangen.
Hoheitliche Maßnahmen könnten nur unter bestimmten Voraussetzungen einen Mangel i.S.d. § 536 I BGB begründen. Diese Voraussetzungen lägen aber nicht vor. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung begründen öffentlich-rechtliche Gebrauchshindernisse nur dann einen Sachmangel, wenn sie unmittelbar auf der konkreten Beschaffenheit der Mietsache beruhten und ihre Ursachen nicht in persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters hätten. Solange die Mietsache als solche weiter zur Nutzung grundsätzlich geeignet und nur der geschäftliche Erfolg des Mieters betroffen sei, realisiere sich das von dem Mieter zu tragende Verwendungsrisiko und nicht das Gebrauchsüberlassungsrisiko, welches tatsächlich von dem Vermieter zu tragen wäre. Die behördliche Anordnung zur Schließung stehe im vorliegenden Fall ersichtlich in keinerlei Zusammenhang mit der Beschaffenheit der streitgegenständlichen Mieträume. Die Mietsache als solche sei zu dem vereinbarten Zweck weiterhin in gleicher Weise geeignet wie vor den behördlichen Beschränkungen.

Eine Herabsetzung oder ein Ausschluss der Mietzahlungsverpflichtung nach §§ 326 Abs. 1, 275 Abs. 1 – 3, 441 Abs. 3 analog BGB komme ebenfalls nicht in Betracht. Auch an dieser Stelle gelte, dass der Mietgegenstand als solcher zur vertragsgemäß vereinbarten Nutzung weiterhin geeignet sei und es könne auch ohne unmittelbaren Kundenverkehr grundsätzlich der Einzelhandel – gegebenenfalls in abgeänderter Form – weiter betrieben werden. Auf die vereinbarte Lagermöglichkeit habe die behördliche Maßnahme ohnehin keinen Einfluss. Die behördlichen Beschränkungen ließen die Gebrauchüberlassungs-verpflichtung unberührt und richteten sich ausschließlich gegen die Nutzung und damit das Verwendungsrisiko des Mieters.

Die behördliche Beschränkung richte sich unmittelbar auch nur an den Betriebsinhaber und habe somit keinen unmittelbaren Einfluss auf das Innenverhältnis der Parteien. Der Vertragszweck werde regelmäßig auch im umgekehrten Fall, dass sich aufgrund behördlicher Maßnahmen die Umsatzzahlen steigern ließen (zum Beispiel verlängerte Verkaufszeiten, verkaufsoffene Sonntage etc.), nicht berührt. Auch in diesem Fall erschiene es fernliegend, deshalb eine höhere Mietzahlungsverpflichtung anzunehmen. Die Annahme der Unmöglichkeit verstieße danach gegen die Vorstellungen des Gesetzgebers, der im Grundsatz von einer unveränderten Mietzahlungsverpflichtung ausgehe. Das möge eine Vertragsanpassung nicht grundsätzlich auszuschließen, spreche aber deutlich gegen die Subsumtion der behördlichen Maßnahmen unter den Begriff der Unmöglichkeit.

Schließlich führe auch eine Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage nicht zur Legitimierung des Mieterhandelns. Als Ausnahme von dem Grundsatz “pacta sunt servanda” seien diese Voraussetzungen sehr eng auszulegen und in jedem Falle nachrangig gegenüber sonstigen gesetzlichen Regelungen. Fraglich erscheine insoweit schon, inwieweit trotz Art. 240 § 1 EGBGB n.F. diese Regelungen anwendbar seien, nachdem der Gesetzgeber das Fortbestehen der Mietzahlungsverpflichtung grundsätzlich angenommen habe. Aber auch wenn man von der Anwendbarkeit dieser Grundsätze ausgehe, könnten diese der Beklagtenseite hier nicht zum Erfolg verhelfen. Die insoweit durchzuführende Interessenabwägung rechtfertige eine Reduzierung der Miethöhe nicht.

(LG Zweibrücken, 19.08.2020, HK O 17/20)

Dr. Thomas Gutwin

Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht