Die Rechtsprechung zum Wohnungseigentumsgesetz sieht seit langer Zeit vor, dass vor Beschlussfassung über größere Erhaltungsmaßnahmen oder bauliche Veränderungen den Wohnungseigentümern in der Regel wenigstens 3 Vergleichsangebote vorliegen müssen. Das gilt im Besonderen bei der Feststellung und Aufklärung von Mängeln und/oder verschiedener technischer Lösungen bzw. Ausführungsvarianten.

Die Rechtsprechung und Kommentarliteratur halten es für das richtige Vorgehen, in einer ersten Eigentümerversammlung die Beauftragung eines Privatsachverständigen beschließen zu lassen, der den Handlungsbedarf feststellt und die unterschiedlichen Lösungsmöglichkeiten bzw. Ausführungsvarianten aufzeigt. Das ist auch sicher pragmatisch. Und an dieser Stelle ist die Frage aufgeworfen: Müssen auch vor Beauftragung eines Sachverständigen Alternativangebote einholt werden?

Das Landgericht Frankfurt/Main hatte sich als Berufungsgericht mit dieser Frage zu befassen. Das Amtsgericht hatte in erster Instanz die Meinung vertreten, auch dem Beschluss zur Beauftragung eines Privatsachverständigen hätte die Einholung von wenigstens 3 Angeboten vorausgehen müssen. Das Landgericht erteilt dieser Auffassung eine Absage. 1 Angebot solle in diesem Fall ausreichen. Denn die Einholung von Vergleichsangeboten sein kein Selbstzweck, sondern diene dazu, die Ermessensentscheidung der Wohnungseigentümer auf eine ausreichend gesicherte Tatsachengrundlage zu stellen. Demgegenüber habe das Sachverständigengutachten einen anderen Zweck. Es diene der Aufklärung, inwieweit das gemeinschaftliche Eigentum sanierungsbedürftig sei und welche Wege hier zur Verfügung stünden. Das sei vorgelagerter Teil einer späteren Sanierungsmaßnahme. Ob sich diese Ansicht in der Rechtsprechung durchsetzen wird, bleibt abzuwarten. Einstweilen ist in diesem Zusammenhang auf Folgendes hinzuweisen:

Die Rechtsprechung verlangt regelmäßig erst ab Überschreitung eines bestimmten Schwellenwerts die Einholung von Vergleichsangeboten, wobei dieser Schwellenwert stark variiert;

Besteht ein besonderes Vertrauen der Mehrheit der Eigentümer zu einem konkreten Anbieter etwa aufgrund guter Erfahrungen in der Vergangenheit, müssen keine Vergleichsangebote eingeholt werden. Dieser Gesichtspunkt gilt auch für die Beauftragung von Rechtsanwälten, was deshalb von Belang ist, weil Spezialwissen aufweisende Rechtsanwälte in der Regel auf eine Vergütungsver-einbarung bestehen werden.

Die Pflicht zur Einholung von 3 Angeboten fällt auch dann, wenn trotz der Bemühung, mehrere Leistungsangebote zu erhalten, nur ein einziges Angebot vorgelegt wird. Wenn die Eigentümer in der Versammlung darüber informiert werden, soll das eine Leistungsangebot eine angemessene Entscheidungsgrundlage darstellen.

Im Rahmen der seit dem 01.12.2020 in Kraft getretenen WEG-Reform kann dem Verwalter durch Delegationsbeschlüsse eine freiere Entscheidungsmöglichkeit bei der Auswahl von Architekten, Fachplanern oder Handwerkern eingeräumt werden. Das setzt allerdings die Bestimmtheit und Klarheit der Entscheidungskriterien voraus, die dem Verwalter vorzugeben sind.

(LG Frankfurt/Main, Urteil vom 25.02.2021, 2-13 S 47/20)

Dr. Thomas Gutwin
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht