Die Frage, ob und in welchem Umfang die mietvertragliche Zahlungspflicht des Mieters bestehen bleibt in der Zeit pandemiebedingt behördlich angeordneter Betriebsschließungen, treibt die Mietparteien im gesamten Bundesgebiet um. Die bisherige Rechtsprechung der Obergerichte zu dieser Frage ist uneinheitlich und führt zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen.

Mit Spannung darf nun die erste Entscheidung des Bundesgerichtshofs dazu erwartet werden. Am 01.12.2021 verhandelt der zuständige 12. Zivilsenat am Bundesgerichtshof einen solchen Sachverhalt.

Die verklagte Gewerbemieterin hat von der Klägerin im Bezirk des Landgerichts Chemnitz gelegene Räumlichkeiten zum Betrieb eines Einzelhandelsgeschäfts für Textilien aller Art, sowie Waren des täglichen Ge- und Verbrauchs gemietet. Aufgrund des sich im März 2020 in Deutschland verbreitenden SARS-CoV-2-Virus (Corona-Pandemie) erließ das Sächsische Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt am 18. März 2020 eine Allgemeinverfügung, nach deren Ziffer 1 in Sachsen grundsätzlich alle Geschäfte geschlossen wurden, soweit sie nicht unter die in der Allgemeinverfügung ausdrücklich benannten Ausnahmen fielen. Diese Allgemeinverfügung trat am 19. März 2020 um 0:00 Uhr in Kraft und wurde ab dem 22. März 2020, 0:00 Uhr von einer weiteren Allgemeinverfügung vom 20. März 2020 ersetzt, nach deren Ziffer 2, übereinstimmend mit der Allgemeinverfügung vom 18. März 2020, Geschäfte grundsätzlich geschlossen wurden, soweit nicht die in der Allgemeinverfügung vom 20. März 2020 formulierten Ausnahmen eingriffen. Aufgrund der genannten Allgemeinverfügungen musste die Beklagte ihr Textileinzelhandelsgeschäft im Mietobjekt vom 19. März 2020 bis einschließlich 19. April 2020 schließen. Infolge der behördlich angeordneten Betriebsschließung entrichtete die Beklagte für den Monat April 2020 keine Miete.

Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung der Miete für den Monat April 2020 in Höhe von 7.854,00 Euro verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und die Beklagte – unter Abweisung der Klage im Übrigen – zur Zahlung von nur 3.720,09 Euro verurteilt. Infolge des Auftretens der Corona-Pandemie und der staatlichen Schließungsanordnung auf Grundlage der Allgemeinverfügungen vom 18. bzw. 20. März 2020 sei eine Störung der Geschäftsgrundlage des Mietvertrags i.S.v. § 313 Abs. 1 BGB eingetreten, die eine Anpassung des Vertrags dahin gebiete, dass die Kaltmiete für die Dauer der angeordneten Schließung auf die Hälfte reduziert werde.

Hiergegen wenden sich die Klägerin, die nach wie vor die volle Miete verlangt, und die Beklagte, die ihren Klagabweisungsantrag weiterverfolgt, mit ihren vom Oberlandesgericht zugelassenen Revisionen. Die Einschätzung des Bundesgerichtshofs darf also mit großer Spannung erwartet werden.

Dr. Thomas Gutwin
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht